Innenraumbelastung: Sick Building Syndrom

22. Juli 2016

Moderne Bürogebäude: Isolierung und Klimaanlagen als Verursacher des Sick Building-Syndroms?

Moderne Bürogebäude mit hermetischer Isolierung und Belüftung über Klimaanlagen gelten als Verursacher des Sick Building-Syndroms.

Seit Mitte der 70er Jahre wird das von der Weltgesundheitsorganisation WHO so genannte „Sick Building Syndrom“ (SBS) beobachtet, auf Deutsch „gebäudebezogenes Krankheitssyndrom“. Unter diesen Begriff wird ein Konglomerat von Symptomen gefasst, das mit dem Aufenthalt in einem Gebäude verbunden zu sein scheint, ohne dass sich bislang messbare Ursachen eindeutig feststellen lassen.

In Mitteleuropa halten sich die Menschen heutzutage rund 90% der Zeit innerhalb von Gebäuden auf, so das Umweltbundesamt, das im März 2015 eine bereits 1993 gegründete Arbeitsgruppe zur Bewertung der Verunreinigung von Innenraumluft in den Rang eines „Ausschusses für Innenraumrichtwerte“ erhob.

Denn das Sick Building-Syndrom soll in „bis zu 30% der weltweit neu erbauten oder frisch renovierten Gebäude“ auftreten – ein deutlicher Gesundheits- und damit auch Kostenfaktor im Arbeitsleben.

Youtube-Video von Thomas Weiss zum Sick-Building-Syndrom

Zuviel CO2 in der Büroluft ist eine der Hauptursachen des Sick Building-Syndroms. Frische Luft im Büro hilft, die meisten Symptome zu lindern, aber auch Atem- und Entspannungsübungen wirken sich positiv aus.

Symptome des Sick-Building-Syndroms

Ein Forschungsprojekt des Instituts und der Poliklinik für Arbeitsmedizin der Universität des Saarlandes sowie des Präventivmedizinischen Zentrums für arbeits- und umweltbedingte Erkrankungen unter Leitung von Prof. Dr. med. Axel Buchter identifizierte fünf Symptomkomplexe des SBS.

Treten sie einzeln oder kombiniert bei mehr als 10–20 % der Beschäftigten eines Gebäudes auf, und lassen „nach Verlassen des Gebäudes rasch wieder nach“, könne man definitiv von einem Sick-Building-Syndrom sprechen, so die Forscher.

  1. Augen, Nase, obere Atemwege (Hauptbeschwerden):
    • Trockenheit
    • Stechen, Brennen oder Jucken
    • Heiserkeit, veränderte Stimmlage
  2. Geruchs- und Geschmackssinn
    • veränderte Geruchs-/Geschmacksempfindlichkeit
    • unangenehme Geruchs-/Geschmackswahrnehmung
  3. Haut
    • Rötungen
    • Trockenheit
    • Stechen, Brennen oder Jucken
  4. Nerven
  5. Geistige Ermüdung, Lethargie, Erschöpfung
  6. Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen
  7. Kopfschmerzen (die Ursachen können sehr vielfältig sein: neben schlechter Innenraumluft seien hier explizit genannt: falsche Körperhaltung / Bewegungsmangel, unergonomische Bürosausstattung, Sehstörungen, Lärm, Flüssigkeitsmangel, psychischer Stress (Distress)
  8. Schwindel
  9. unspezifische allergische Symptome

Studie ProKlimA

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat das Phänomen des Sick Building Syndromes zwischen 1994 und 2000 in einer Studie untersuchen lassen: Die Projektgruppe Klima und Arbeit (ProKlimA) bestand aus Wissenschaftler/innen für Raumlufttechnik, Physik, Chemie, Mikrobiologie, Medizin, Soziologie, Psychologie und Arbeitswissenschaft. Sie befragte mehr als 4.500 Beschäftigte und untersuchte in 14 Bürogebäuden etwa 1.500 Arbeitsplätze, um den Ursachen für SBS auf die Spur zu kommen.

Zwar empfanden die Befragten die meisten Beschwerden, wenn sie sich in Räumen mit Klimaanlage aufhielten. Doch messtechnische Untersuchungen konnten keinen konkreten Zusammenhang mit einer Schadstoffbelastung nachweisen: „Büros mit Klimaanlagen waren im Gegenteil oft sogar weniger belastet“, so das Umweltbundesamt in einer Pressemitteilung. Und auch die „Belastung der Innenraumluft mit Schadstoffen, zum Beispiel flüchtigen und schwerflüchtigen organischen Verbindungen (VOC und SVOC), der Befall mit Mikroorganismen und andere Faktoren“ seien insgesamt sehr unterschiedlich gewesen und „nur in Einzelfällen eine mögliche Ursache für Beschwerden“.

Auslöser in der Innenraumluft?

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen schrieb 2003 in einem Hintergrundpapier zur Chemikalienpolitik: „Innerhalb der Europäischen Union sind rund 100.000 Chemikalien in Listen erfasst. Das zentrale Problem: Bei rund 95.000 dieser Stoffe ist derzeit unbekannt, was sie genau beinhalten und wie sie auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt wirken.“

Grenzwerte für Gefahrstoffe gelten nur für Arbeitsplätze, an denen auch mit Gefahrstoffen umgegangen wird. Aber die Luft in einem Büro kann z.B. durch Ausgasung von Formaldehyd aus spanplattenhaltigen Möbeln ebenso belastet sein, wie an einem Gefahrstoff-Arbeitsplatz.

Noch weitgehend unerforscht ist, welche Wechselwirkung der Cocktail aus Chemikalien hat und wie sich die Anreicherung unterschiedlichster Chemikalien im Körper auswirkt. Erste Untersuchungen von Substanzgemischen an menschlichen Zellen zeigten, dass sich die Giftigkeit von Umweltchemikalien in Gemischen potenziert: So würden 10% des toxischen Wertes von acht Substanzen bereits eine Gesamttoxizität bewirken.

Risiko für Sick Building Syndrom senken mit ergonomischem Arbeitsplatz

Gerhard Wiesmüller, Professor für Hygiene und Umweltmedizin am Uni-Klinikum Aachen, hat schon 1994 Empfehlungen herausgegeben, wie das Risiko für SBS-Erkrankungen minimiert werden kann. Diese Empfehlungen haben sich aus der Erfahrung ergeben, auch wenn bislang keine direkte Ursache-Wirkungsketten für die Entstehung des Syndroms festgestellt werden konnten.

Interessant ist dabei, dass die Aufwertung des Arbeitsplatzes z.B. durch eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung (weiterführende Artikel zu Gesundheit & Ergonomie im Büro) mit dazu gehört. Wie die ProKlimA-Studie gezeigt hat, gehören nämlich neben der Luftbelastung durch physikalisch, biologisch oder chemische Faktoren als möglichem Auslöser auch psychosoziale Faktoren wie Arbeitsanforderungen, Arbeitsplatzzufriedenheit und die Benutzerfreundlichkeit des Arbeitsplatzes zu den Faktoren, die mit dem Auftreten von SBS-Symptomen verknüpft sind.

Wer also Büros neu einrichtet oder die Büroausstattung austauscht, sollte unbedingt darauf achten, dass sowohl Bürostühle also Bürotische einen hohen Grad an Verstellbarkeit aufweisen, wie schon in unseren Hinweisen zum gesunden Sitzen aufgeführt. So können sie bequem an die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angepasst werden. Um Muskel- und Skeletterkrankungen vorzubeugen, eignen sich z.B. höhenverstellbare Arbeitstische der Xenion-Serie, an denen die Mitarbeiter sowohl stehend als auch sitzend arbeiten können.

Quellen:
http://www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/belastung-des-menschen-ermitteln/umweltmedizin/sick-building-syndrom
http://www.bsafb.de/fileadmin/downloads/pa_4_6_2006/pa4_6_2006_gebaeudebezogene_gesundheitsstoerungen.pdf
http://www.sichere-schule.de/_docs/pdf/bgia_innenraumarbeitsplaetze.pdf
http://www.bsafb.de/fileadmin/downloads/pa_4_6_2006/pa4_6_2006_innenraumbelastungen.pdf
http://www.uni-saarland.de/fileadmin/user_upload/Sonstiges/KoWA/forschung/berichte/innenraum-abschluss.pdf


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